Projekt Schwarzwalddurchquerung (1/2) - Ende gut alles gut

morgendlicher Blick ins Murgtal


21.04.2011

Nach einer warmen, aber relativ schlaflosen Nacht, wache ich bei strahlendem Sonnenschein auf. Es ist noch reichlich kalt, es verspricht aber ein warmer Tag zu werden. Nach dem ich mich aus dem Schlafsack gequält und mein Morgentoilette erledigt habe, geht's an Frühstücken und Packen. Dafür brauche ich aber länger als erwartet und komme erst gegen 8:30 Uhr los. Zunächst geht es wieder auf dem Westweg zurück zur Prinzenhütte, wo ich auf den Mittelweg einschwenke. 




Mein Weg beginnt mit breiten Forstwegen, bevor es nach einiger Zeit auf einem Pfad weiter geht.



Im Wechsel geht es nun durch den typischen Fichtenwald und über Flächen, die vom Orkan Lothar abgeholzt wurden. Hier zeigt sich wie schnell sich die Natur wieder erholen kann. Junge Bäume, Totholz, Farne, Gräser und Heidegewächse bilden einen völlig neuen Lebensraum.



An der Schutzhütte beim Toten Mann (der Name leitet sich vermutlich aus der Bergbausprache ab Toter Mann = abgebauter Teil eines Bergbaus) treffe ich wieder auf den breiten Forstweg. Hier gönne ich mir erstmal eine Pause und verdrücke einen Oatsnack. Frisch gestärkt breche ich wieder auf. Der Weg zieht sich nun über endlose Forstautobahnen. Wie vermutet gibt es nirgends eine Möglichkeit Wasser aufzufüllen, also war die gestrige Entscheidung auch das Wasser für den heutigen Tag mitzunehmen goldrichtig. Nun bin ich schon über drei Stunden unterwegs und habe noch keine Menschenseele getroffen. Da es immer nur Wald zu sehen gibt und sich der Blick nie öffnet, wird mir langsam ziemlich Langweilig. Um die Langeweile zu vertreiben, fange ich an jedes Wander- und Kinderlied das mir einfällt vor mich hin zu singen. Leider komme ich dabei meist nicht über eine Strophe hinaus. Endlich vernehme ich ein Geräusch im Hintergrund, das langsam immer lauter wird. Ein Holztransporter nähert sich, der mich für die kommenden 15 min. in eine riesige Staubwolke einhüllt.
Oberhalb von Schömünzach will ich den Mittelweg verlassen und in Murgtal absteigen. Ich lege nochmals eine kurze Rast ein und suche mir gerade einen Platz, um meine Notdurft zu verrichten als eine Familie mit Fahrrädern vorbei kommt. Da die Familienmitglieder in größeren Abständen kommen, bedarf es dreier Anläufe, bis ich erleichtert den Abstieg nach Schönmünzach antreten kann. Hier merke ich schon, dass ich an den kleinen Zehen Druckstellen bekomme. Messe dem ganzen aber noch keine Bedeutung zu.

Schwarzenberg

Oberhalb von Schwarzenberg kehre ich in einer bewirtschaftete Hütte ein, genieße die Sonne, gönne mir ein Stück Kirschstreußelkuchen und fülle meine Wasservorräte wieder auf.



Gut gestärkt setze ich meinen Abstieg nach Schönmünzach fort. Die Pause hat allerdings meinen Beinen nicht sonderlich gut getan, ich spüre nicht nur die Druckstellen, sondern auch wie meine Muskeln sich zunehmend verhärten. Schönmünzach selbst hat schon bessere Zeiten erlebt, außer dem kleinen Kurpark gibt es nicht wirklich viel Sehenswertes und alles wirkt wie ausgestorben. Kurzfristig überlege ich mir, ob ich nicht hier nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen soll, entscheide mich dann aber doch meinem Ziel Huzenbacher See weiter entgegen zu marschieren.

Schönmünzach

Der Nachmittag schreitet fort und ganz langsam kommen zwei Gedanken immer stärker in mir auf: wo schlafe ich und wo finde ich genügend Wasser, das mir für den Abend und den nächsten Tag reicht. Ich entscheide mich zunächst etwas Wasser aus einem Bach zu entnehmen und mit Aquamira zu entkeimen. Eigentlich sollte alles ganz einfach sein. Zehn Tropfen Flüssigkeit A mit zehn Tropfen Flüssigkeit B mischen, fünf Minuten warten und dem Wasser zugeben. Doch so weit komme ich gar nicht. Nachdem ich die zehn Tropfen von Flüssigkeit A mit Müh und Not ins Mischgefäß gedrückt habe, versuche ich das gleiche mit B. Aber mehr als drei Tropfen wollen nicht herauskommen, egal wie stark ich drücke. Wo hat der Mensch mehr Kraft als in den Händen, genau mit den Zähnen. Also klemm ich mir das Fläschchen zischen die Beißer. Mit durchschlagendem Erfolg. Vor lauter Kraft reißt es den kompletten Verschluss ab und die ätzenden Flüssigkeit ergießt sich über meine Hände und spritzt mir ins Gesicht. Zum Glück trage ich meine Brille und meine Augen bleiben weitestgehend verschont. Also wird es heute nichts mehr mit entkeimten Wasser, den Komponente B hat sich inzwischen auf dem Waldboden verteilt. Mit dem kostbaren Wasser reinigen ich noch meine Hände und spüle mir meine Augen aus. Völlig gefrustet beginne ich den Aufstieg zum Huzenbacher See und hoffe auf eine Quelle oder einen Bach zu treffen.
Bei der Planung der Tour habe ich mir drei Hütten ausgewählt, die als mögliches Übernachtungsmöglichkeit in Frage kommen. Doch nun beginnt das zweite Fiasko. Vertrau nie einer Wanderkarte! Von Hütte eins existiert nur noch das Fundament. Hütte zwei erweist sich dann als abgeschlossene Forstarbeiterhütte. So langsam bin ich echt fertig mit der Welt, da mir nicht nur das Wasser ausgeht, sondern ich auch körperlich langsam an meine Grenzen komme. Ich hoffe nur noch, dass der auf Karte eingezeichnete Bach existiert. Doch Fortuna ist gnädig und liefert nicht nur einen Bach, sondern mit dem Gitschenbrunnen eine ergiebige Wasserquelle. Ich erfrische mich mit dem klaren Wasser und fülle fast 6 Liter Wasser ab.


Mental etwas erleichterter, aber mit gut 6kg mehr auf dem Rücken, setze ich meinen Aufstieg fort. Nach einiger Zeit und ziemlich entkräftet komme ich am Huzenbacher See, einem der vielen Karseen im Nordschwarzwald, an. Erschöpft pausiere ich auf einer Bank und überlege mir, ob ich in dem offenen Pavillon am See übernachten soll. Eigentlich habe ich keine Lust mehr weiter zu gehen, aber irgend was hindert mich daran in diesem Pavillon zu übernachten und treibt mich weiter. Vielleicht liegt es daran, dass der See im Naturschutzgebiet liegt.


Eine Chance habe ich noch, die Fürstenhütte. Dazu muss ich aber den Steilhang am Rande des Kars erklimmen, was sich als ziemliche Kraftleistung erweist.


Mit letzter Kraft und viel Willen wuchte ich mich und den Rucksack die letzen 200hm den Berg hinauf, um dann maßlos enttäuscht vor der Fürstenhütte zu stehen. Die Hütte ist ziemlich verwahrlost, was aber noch schlimmer ist, irgend ein Idiot hat hier eine zuckerhaltige Flüssigkeit verschüttet und tausende von schwarzen Ameisen bevölkern die Hütte. Der Frust bricht nun aus mir heraus und wenn ich denjenigen getroffen hätte, er hätte was erleben können. Belieben noch zwei Alternativen: entweder wieder Abstieg zum See oder weiter zum Huzenbacher Seeblick. Dort ist zwar keine Hütte in der Karte eingezeichnet, aber ich hoffe trotzdem zumindest eine Bank oder etwas ähnliches zum Schlafen zu finden. Die Ansprüche schwinden so langsam.
Doch es kommt vieeeeeeel besser. Das Quälen hat sich gelohnt, hier erwartet mich ein wahres Paradies: eine nagelneue Schutzhütte, neue Bänke, Tische, ein fantastischer Ausblick und eine Relaxliege!!!

Huzenbacher Seeblick


Zunächst werfe ich mich auf die Liege und entspanne etwas. Danach kontrolliere ich meine Füße und stelle fest, dass ich zwei große Blasen an den kleinen Zehen habe. Doch das ist erstmal egal, in den Crocs ist es halbwegs bequem. Gerade als ich mein Essen zubereite kommen noch zwei Biker vorbei, die mich etwas argwöhnisch begutachten. Nach ein paar Worten ziehen sie aber wieder von dannen und ich habe den Platz endlich für mich alleine. Nach dem Essen genieße ich noch die Ruhe und den Ausblick und ziehe mich gegen 21:30Uhr völlig erschöpft in meinen Schlafsack zurück. Heute habe ich fast 25km und 600hm zurückgelegt.


Abendstimmung


Kommentare